Denkmalforschung

Der Jan-Wellem-Brunnen und die sakrale Landschaft der Düsseldorfer Residenz

Zum Jubiläumsjahr 2008, dem 350. Geburtstag des Kurfürsten Johann Wilhelm 11. von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg (1658-1716), ist es gelungen, den Jan-Wellem-Brunnen am Grafenberge als kurfürstliche Gedächtnisstätte herzurichten. Die Instandsetzung ist allerdings noch nichts abgeschlossen. Auch bedarf es noch eines Parkpflegewerks, um den von Maximilian F. Weyhe mit Adolph von Vagedes nach 1816 geschaffenen Grafenberger Landschaftspark mit dem Brunnen im Fokus wieder erlebbar zu machen. 1)

Zum Jubiläumsjahr 2008, dem 350. Geburtstag des Kurfürsten Johann Wilhelm 11. von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg (1658-1716), ist es gelungen, den Jan-Wellem-Brunnen am Grafenberge als kurfürstliche Gedächtnisstätte herzurichten. Die Instandsetzung ist allerdings noch nichts abgeschlossen. Auch bedarf es noch eines Parkpflegewerks, um den von Maximilian F. Weyhe mit Adolph von Vagedes nach 1816 geschaffenen Grafenberger Landschaftspark mit dem Brunnen im Fokus wieder erlebbar zu machen. 1)

Ausschnitt aus dem Distriktplan von Joh. Pater Stamm, 1782, STA, Karte 317

Ausschnitt aus dem Distriktplan von Joh. Pater Stamm, 1782, STA, Karte 317

Die Grafenberger Jan-Wellem-Quelle, der wegen des eisenhaltigen Wassers heilende Kraft zugesprochen wurde, diente der Trinkwasserversorgung des Düsseldorfer Schlosses. Zu der Brunnenanlage gehörte eine Eremitage. Eine erste urkundliche Erwähnung der Eremitage findet sich in der Dotationsurkunde vom 13. Juli 1688, 2) die Jan Wellem als Kurprinz und Regent der Herzogtümer Jülich-Berg ausgefertigt hat. In dieser Urkunde wird die Einsiedlerklause am Grafenberge als ein unlängst zu einer Eremitage auferbautes Häuslein bezeichnet. Hiernach waren Eremiten bereits zur Zeit Philipp Wilhelms (1615-1690) beauftragt die Grafenberger Heilquelle zu warten. 3)

Das 1701/02 Ober der Grafenberger Heilquelle errichtete kurfürstliche Grottengewölbe gehört in der Düsseldorfer Residenz zu den wenigen noch erhaltenen Bauwerken, die an Jan Wellem als barocken Bauherrn erinnern. Seine repräsentativen Bauten wie Opernhaus, Galeriegebäude, Marställe, aber auch die Bilker Loretokapelle sind verschwunden.

Künstliche Quellgrotten waren seit der Renaissance beliebt. Sie fanden ihre Vorbilder insbesondere in den fürstlichen Gärten von Florenz, die der Kurfürstin Anna Maria Medici von Jugend an vertraut waren. 4) Für die Grafenberger Quellgrotte gilt jedoch eine Besonderheit: Im Gegensatz zu den vielfach mit Skulpturen der griechischen und römischen Götter- und Sagenwelt ausgestalteten italienischen Grotten enthält das schlichte zweijochige barocke Kreuzgratgewölbe der Grafenberger Quellgrotte keine mystischen Darstellungen.

Stattdessen war der Vorhof der Grotte von einer oktogonalen Mauer umgeben, in deren Zentrum sich das große Brunnenbecken befand. Das Becken wurde über eine Kaskade mit dem Heilwasser gefüllt. 5) Das Achteck, an dessen Stelle sich das heute der Lanzenzaun von A. v. Vagedes befindet, ist das Symbol für das neue Testament. Dass Jan Wellem, der mit christlichen Symbolen vertraut war, sein Grafenberger Heilwasserbecken mit der achteckigen Mauer umgab, lässt erkennen, welch hohe Bedeutung er der Quelle für sein kurfürstliches Heil beigemessen hat.

Die Quellgrotte am Grafenberge stellt sich wie die dazugehörige Eremitage als Teil der sakralen Landschaft dar, die seit dem Mittelalter vor allem durch Kirchen, Kapellen, Wegekreuze geprägt war. Zuletzt zählten die Herzöge von Jülich-Berg aus dem Hause Pfalz-Neuburg mit den Kölner Kurfürsten im Zeichen der Katholischen Reform zu den wichtigsten Stiftern und Förderern sakraler Bauten in residenznahen Wallfahrtsorten. 6)

So hat die Loretokapelle in Bilk 7) ihren Ursprung in einem Bildstock mit einer Mariendarstellung, die Herzog Wolfgang Wilhelm (1578-1653) dort aufstellen ließ. Jan Wellem hat an dieser Stelle 1686 die Loretokapelle gebaut. 8) die er 1688 ebenso wie die Grafenberger Eremitage den Jesuiten unterstellte. 9) Damals bestand wegen des beginnenden Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688-97) große Besorgnis, dass die Residenzstadt Düsseldorf wie die pfälzische Residenz Heidelberg gefährdet sei und zerstört werden könnte. Es fanden deshalb 1688 die in der Jesuiten Dokumentation "Marianische Andacht" von 1730 beschriebenen Bittprozessionen zur Loretokapelle statt. "dass die Stadt möge behütet werden, welches auch geschehe".

Loretokapelle von Süden, Ölgemälde Ende 18. Jahrhundert, Privatbesitz

Loretokapelle von Süden, Ölgemälde Ende 18. Jahrhundert, Privatbesitz

Als zu Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-14) erneut kriegerische Zerstörung und Verwüstung befürchtet wurden, hat Jan Wellem mit dem Neuaufbau der Grafenberger Eremitage im Umkreis seiner Düsseldorfer Residenz erneut ein Zeichen der sakralen Landschaft gesetzt. So hat er dem Neubau der Eremitage auf der Grafenberger Anhöhe eine von der Rheinebene aus weithin sichtbare Kapelle hinzugefügt, 10) die nach erstem Augenschein achsial auf die Lambertuskirche ausgerichtet war. Hier ergeben sich für die fürstliche Gestaltung der sakralen Landschaft interessante Parallelen zu der berühmten Kreuzberg-Kapelle bei Bonn, die in achsialer Ausrichtung auf das Poppelsdorfer Schloss geplant war, 11) vor allem aber auch zu der achsialen Ausrichtung des von Jan Wellem erbauten Bensberger Schlosses auf den Kölner Dom. 12)

In diese achsiale Beziehung sollte auf der Bensberger Höhe vor dem Schloss auch die Brunnenpyramide einbezogen werden, die Jan Wellem während des Spanischen Erbfolgekrieges von Grupello fertigen ließ. Diese zunächst in Düsseldorf vor dem Galleriegebäude provisorisch aufgestellte, 1738 nach Mannheim verbrachte Pyramide stellt Jan Wellem in Allegorie zur Kardinaltugend JUSTITIA zugleich als pfälzischen Hercules dar, der Laster oder Ketzer verfolgt. 13) Jan Wellem hat sich damit selbst in die fürstliche Gestaltung der sakralen Landschaft eingebracht.

Marianische Andacht. 1730 Gnadenbild - rechts und links die Jesuitenheiligen	Ignatius und Franz Xaver

Marianische Andacht. 1730 Gnadenbild
rechts und links die Jesuitenheiligen Ignatius und Franz Xaver

Der mit der sakralen Landschaft erstrebte Schutz ist, wie die Jesuiten Dokumentation "Marianische Andacht" von 1730 betont, eingetreten. In der Tat ist im Pfälzischen Erbfolgekrieg, aber auch im nachfolgenden Spanischen Erbfolgekrieg nicht nur die Düsseldorfer Residenz, vielmehr auch der Niederrhein, vor allem rechtsrheinisch weigehend verschont geblieben. Dies zeigt, dass im Zeichen der Katholischen Reform über die Kriegsfronten hinweg realpolitische Möglichkeiten zur Verständigung und wechselseitiger Rücksichtnahme bestanden.

Jan Wellem hat nach der Verwüstung der Pfalz sein vorrangiges politisches Ziel, seine niederrheinischen Territorien auch im Spanischen Erbfolgekrieg weitgehend vor Zerstörung zu bewahren, erreicht, 14) trotz fehlender militärischer Stärke, aber dank seiner diplomatischen Kompetenz. Dies war ein großer politischer Erfolg, den Düsseldorf, wie die Marianische Andacht von 1730 zeigt, damals dankbar zu würdigen wusste. Jan Wellems "politisches Gewicht" 15) sollte jetzt nicht in Frage gestellt werden, ohne die noch zu erforschenden Akten - und zwar auch in Wien und Paris - ausgewertet zu haben.

Das Jan-Wellem-Jubiläum gibt Anlass, am Grafenberge in aller Stille die schlichte barocke Grotte, mit der Jan Wellem sein kurfürstliches Heil verband, zu besuchen. Von dort aus führt der Weg an der ehemaligen Kapelle und Eremitage vorbei zur Schönen Aussicht, wo sich ein weiter Blick über die Rheinebene öffnet. Hier lässt sich eine Vorstellung von der sakralen Landschaft gewinnen, die Jan Wellem in der Tradition seiner Vorfahren zum Schutze seiner Düsseldorfer Residenz und seiner Bürger geschaffen hat.

Waltrecht Dilloo


1) Zur Beschreibung des ersten preußischen Volksparks siehe: Dilloo/Resch Gartenlust mit Brunnen am Grafenberge, in: Jan-Wellem-Brunnen, Heft 1, 2001; Dilloo/Resch, Jan-Wellem-Brunnen, in: Spohr/Küffner (Hrsg.), Die Bürgergesellschaft, 2002, S. 106 ff; Ritter, Maximilian Friedrich Weyhe, 2007, S. 115 ff
2) Hauptstaatsarchiv NRW Urk. JES. U 120
3) Die Trinkwasserversorgung des fürstlichen Hofes mit dem Wasser des Heilbrunnens, das in Keramikkannen für den Transport abgefüllt wurde, ist durch zahlreich im Brunnenbereich gefundene Scherben dieser Kannen archäologisch belegt, darunter ein prächtiger Bartmannkrug mit dem Allianzwappen vor 1614. Eine ähnlich prachtvolle Kanne ist abgebildet in der Brunnenpyramide von Grupello (seit 1738 in Mannheim). Die Brunnenskulptur zeigt die Kurfürstin Anna Maria Medici als Quellnymphe Egeria, die Wasser in einen Weinpokal gießt.
4) z.B. Boboli Garten beim Palazzo Pitti, Garten der Willa Medicea di Castello
5) Die oktogonale Mauer um den Grottenvorhof mit dem Brunnenbecken im Zentrum ist durch die Distriktkarte von 1782 belegt. Das zentrale Wasserbecken, das in der Mitte des 19. Jhdt. zugeschüttet wurde, als die Quelle versiegte, wurde 1999 bei Bauarbeiten wiederentdeckt und als Bodendenkmal geschützt.
6) Heinrichs, Düsseldorf - Stadt und Kirche, 2. Aufl., 1982, S. 53, 155 ff, 164 f; Küffner-Spohr, Denkmäler in Düsseldorf-Wegekreuze, Kapellen, Heiligenhäuschen, 1985, S. 18 f, 45 ff, 103, 200; Klaus Müller in: Weidenhaupt (Hrsg.), Geschichte Düsseldorf, 1988, Bd. 2, S. 205 ff; Schölten, Entwicklung der rheinischen Sakrallandschaft im 17. U. 18. Jhdt., in: Zehnder (Hrsg.), Riss im Himmel, Bd. V, 2000, S. 117 ff, 130 ff
7) Vorgängerbau der neuen Martinskirche in Bilk
8) Schwarz, Clemens August u. die Verehrung der Loreto-Madonna, in Zehnder (Hsg.), a.a.O., S. 213 ff, 216 f. Ein anderer Mariengnadenort befand sich nach dem Vorbild von Einsiedeln in der Nähe von Schloss Benrath, die Jan Wellems Vater, Herzog Philipp Wilhelm (1615-1690), im Jahre 1675 baute. Siehe: Küffner-Spohr, a.a.O., S. 50 ff. Als weiteres bedeutendes Beispiel für die fürstliche Gestaltung der Sakrallandschaft, ist u.a. in Hamm die jetzt 350 Jahre alte, Kreuzkapelle zu nennen, die Philipp Wilhelm zur Geburt des Prinzen Jan Wellem 1658 als letzte Station eines vom Residenzschloß ausgehenden Kreuzweges erbauen ließ. Der Innenraum der Jan-Wellem-Geburtskapelle ist wie einst der Vorhof der Grafenberger Jan-Wellem-Grotte oktogonal gestaltet. Siehe: Küffner-Spohr, a.a.O., S. 103
9) Siehe Fußnote 2: Dotation der Grafenberger Eremitage durch die Urkunde vom 13.07.1688. Z.Zt. der Ausstellung der Urkunde wurde Jan Wellems schwer erkrankte Gemahlin Anna Maria am kaiserlichen Hof in Wien gepflegt. Dorthin war auch der Eremit, der den Grafenberger Heilbrunnen zu warten hatte, als Hofbediensteter der Erzherzogin, wie in der Dotationsurkunde angedeutet wird, wieder zurückgekehrt
10) Gemälde von H.E. Beckers, 1735, zeigt die Kapelle von den Festungswerken der Stadt aus auf der Grafenberger Anhöhe, im Hintergrund des Düsseltaler Trappistenklosters. Die Anhöhe oberhalb der Quelle trägt die Flurbezeichnung "im Jodesbusch". Hier wurde Anfang des Jahres 2003 auf Initiative der Eheleute Schulenberg, der Standort der 1774 abgerissenen Eremitage und Kapelle wiederentdeckt: Schulenberg, Die Eremitage "auf dem Graffenberg" in: RVL/Rh. Amt für Bodendenkmalpflege (Hrsg.), Archäologie im Rheinland, 2003, S. 153 ff. Die Eremiten-Kapelle bestand nach dem Instandsetzungsplan aus dem Jahre 1748 (Hauptstaatsarchiv NRW Jülich-Berg 1809, Bl. 10) aus einem dreijochigen Kreuzgratgewölbe mit steilem Satteldach u. halbrunder Apsis. An die Kapelle war ein geräumiges Eremitenhaus angefügt. Maximilian Friedrich Weyhe hat 1816/17 bei Anlage seines Landschaftsparks am Grafenberge die Eremitage mit Serpentinen umgeben. Die Art der Wegeführung läßt erkennen, dass zu Weyhes Zeit der Standort der Eremitage noch bekannt war.
11) Schollen, a.a.O. (Fußnote), S 133 f
12) Gleiches gilt für die achsiale Ausrichtung des 1701 von Jan Wellem erbauten Schwetzinger Schlosses u.a. auf den Königsstuhl oberhalb des Heidelberger Schlosses. Siehe: Stripf, Die Aboreten des Schwetzinger Schloßgartens, 2004, S. 5 f
13) Wolf, Jürgen Rainer, Die ehemalige Düsseldorfer "Pyramide" Grupellos, in: D'dorfer Jahrbuch, Bd. 62, 1990
14) vgl. z.B.: Vossen, Anna Maria - Die letzte Medici, 1988, S. 156 ff
15) vgl. Stadtmuseum Düsseldorf, Die Akte Jan Wellem, Ausstellungsführer, Februar 2008

Tag des offenen Denkmals

Regelmäßig nimmt der Förderkreis am bundesweiten „Tag des offenen Denkmals“ am 2. Sonntag im September mit Führungen und Präsentationen teil.

Kontakt

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(Falk Mathieu)
Hardtstraße 73
40629 Düsseldorf
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